Via Galletgrat auf das Doldenhorn 3638m ü. M.

Die Besteigung des Doldenhorns über den Galletgrat und der Abstieg über die vergletscherte Normalroute bilden eine der schönsten Hochtouren, die das Berner Oberland zu bieten hat. Eis, Fels und ein spektakulärer Firngrat, eingebettet in einer fantastischen Kulisse. Dank zahlreichen Fixseilen, Sicherungsstangen, einer Strickleiter am Gipfelfelsen und der sicheren Führung von Peter ist der Schwierigkeitsgrad (ZS+) für mich machbar. Ich musste die Eindrücke des Tages zuerst etwas abkühlen lassen, bevor ich diesen Blogbeitrag schrieb. Sonst wäre der Text zu euphorisch geworden.

Kurz vor halb vier morgens kriechen wir aus unseren Kojen und schleichen in die Essstube der Fründenhütte. Das Frühstück steht für uns bereit. Wir essen schweigend, um eine auf einer Holzbank Schlafsuchende nicht zu wecken. Kurz nach vier schalten wir unsere Stirnlampen ein und steigen auf den Gletscher hinunter. Wir montieren die Steigeisen und queren zu einem schmalen Band in der mächtigen Seitenwand des Galletgrats, der einen überraschend problemlosen (einige Fixseilen helfen) Durchstieg ermöglicht. Ich schüttle ungläubig den Kopf, gestern Abend war mir bei der Betrachtung dieser Wand noch mulmig geworden. Aus der Nähe ist eben immer alles anders.

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Die Route durch die Gratwand liess mich am Vorabend erschaudern (Standort Fründenhütte)
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5.00 Uhr: Es werde Licht…
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…. aber noch scheint der Mond (im Bild der ganze Grat bis zum Gipfel)

Es ist inzwischen hell geworden, und wir bestaunen die Morgenröte. Fotosession, Facebook-Post. Dann folgen wir dem Gratverlauf über mässig steiles Gehgelände. Wir suchen Platten und Schneefelder, um dem schweren Schutt auszuweichen. Eine erste Felsbarriere kann einfach überklommen werden, die zweite nicht. Wir ziehen erneut die Steigeisen an und umgehen das Bollwerk westlich über ein immer steiler werdendes Firnfeld. Wir gehen am kurzen Seil und kommen rasch vorwärts. Ausrutschen ist nicht erlaubt, es sei denn, man wünscht sich ein Bad im 1500Hm tiefer gelegenen Oeschinensee.

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Diesen Riegel umgehen wir…
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… über diese Rutschbahn mit Schwimmbad

Jetzt baut sich ein majestätisch wirkender Felsturm vor uns auf, der uns vom Gipfelgrat trennt. Dieser darf jetzt erklettert werden, dank der Ketten und Fixseile im obersten Teil erscheint dies nur mässig schwierig. Inzwischen scheint uns die Sonne im Gesicht, wir erblicken die ersten Walliser Berge und bald den weiten Petersgrat. Die Route folgt zunächst im Blockgelände dem Gratverlauf (Kletterstufe I), schliesslich stehen wir vor dem Turm und spucken in die Hände, jetzt geht’s richtig zur Sache! Dank der stählernen Hilfe bleiben wir im IIer-Bereich, es macht grossen Spass.

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Erste Blicke in die nächste Geländekammer (Petersgrat)
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Zuerst kraxeln, dann klettern. Die Scharte rechts der Turmspitze ist das Ziel
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Kletterspass in der gut gesicherten Turmwand mit Blick auf den unteren Teil des markanten Galletgrats

Die Kletterei endet in einer Scharte fast zuoberst auf dem Turm. Der Blick wird frei auf den schmucken Firngrat, aber auch auf ein kurzes, extrem ausgesetztes, verfirntes Gratstück, das wir steigeisenlos überschreiten müssen. Erst das kleine Felsplateau dahinter bietet genug Platz um die Dinger zu montieren. Für mich die Schlüsselstelle der Tour. Peter geht vor. Die Abmachung ist, dass er nach links springt, wenn ich nach rechts falle…dank seiner mit dem Pickel herausgeschlagenen Tritte bieten sich jedoch keine Probleme.  Trotzdem muss ich kurz tief durchatmen, als ich wenig später die Steigeisen festzurre. Ohne Peter wäre ich hier chancenlos.

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Die Überschreitung dieses „Leintuchs“ im Wind braucht Nerven…
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… als Belohnung winkt dahinter diese Augenweide!

Jetzt folgt ein sehr steiles Stück des Firngrats, das jedoch (noch) gut begehbar ist. Der Schnee ist fest gefroren, aber noch nicht vereist, wir kommen zügig vorwärts. Nur bläst uns jetzt ein bissiger Wind ins Gesicht, der uns bis zum Gipfel begleiten wird. Ich muss immer wieder innehalten, um zu fotografieren. Die enormen Wächten, die grimmige Steilheit der Flanken, die eleganten Schwünge des Grats, ein Traum für jeden Alpinisten. Dann die Fernsicht, die jedes kleine Detail am Weisshorn, Montblanc, Bietschhorn etc. erkennen lässt. Meine Glücksgefühle sprudeln. Dafür nehme ich jede Mühe auf!

Konzentration ist auch gefragt. Nicht zu nah am Grat laufen, das Einsinken des Pickels warnt vor Wächtenabbrüche. Das letzte Teilstück des Grat überwinden wir mit der Hilfe von Eisschrauben. Die Wärme und der Regen der letzten Tage haben das Firn vollständig vereisen lassen. Die Tour wird im Laufe des Sommers nicht einfacher werden.

Dann stehen wir vor dem Gipfelfelsen, der dank einer Strickleiter mühelos zu besteigen ist. Ohne sie wäre ich niemals hochgekommen. So stehen wir gut 5 Stunden und 50 Fotos nach dem Abmarsch auf dem Gipfel des Doldenhorns.

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Eindrückliche Wächten
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Der letzte, steile Firnaufstieg zur Strickleiter…
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… und dann der Blick zurück (mit EMJ im Hintergrund)

Nach einer windbeeinträchtigten, nicht allzu langen Pause machen wir uns an den Abstieg. Wir folgen dem verfirnten, sich immer steiler absenkenden Südgrat. Die Zacken der Eisen halten gut, die Knie müssen hart arbeiten. Dank des frühen Zeitpunktes der Saison, können wir die Seraczonen über gute Schneebrücken vergleichsweise einfach überwinden. Peter erzählt, dass er hier als Heli-Retter im letzten September zwei Damen geholt hat, die die Kraft nicht mehr hatten, in die Spalten ab- und wieder hochzusteigen.

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Der Aufstieg war erst die halbe Miete, jetzt geht es 2500m runter…zunächst über die Gletscherkante
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….dann über Schneebrücken durch eine Séraczone
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Ohne Peter geht hier gar nichts!
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600Hm tiefer am Gletscherende…

Auf rund 3000 Meter verlassen wir den Gletscher und versorgen das Material. Der Wind ist weg, jetzt genügt ein T-Shirt. Am Gipfel bilden sich derweilen die ersten Wolken, die vom Wind wild herumgejagt werden. Die Tour ist indessen noch lange nicht vorbei. Es erwartet uns ein 1000Hm (!) Abstieg durch nicht mehr aufhören wollende Schuttfelder, der ziemlich an die Kräfte zehrt. Immerhin sorgen der „Spitze Stein“ und der schöne Blick auf den Oeschinensee für ausreichend Abwechslung.

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… wartet hinter dem „Spitzen Stein“ noch 1000Hm Schutt

Endlich wird es grün, und wir schlendern entspannt durch die reich beblumte Taigalandschaft zur Doldenhornhütte. Ich lechze nach Schorle und Kohlenhydraten, die bald in Form einer deftigen Rösti serviert werden. Dann ziehen wir uns um und wandern in Shorts und leichten Schuhen zügig die letzten 700Hm nach Kandersteg hinunter.

Tourdatum: 17. Juni 2017

Kartenausschnitt Doldenhorn (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt

7 Kommentare

  1. Bravo! Herzlichen Dank für den tollen Bericht und die schönen Fotos.
    Freundliche Grüsse, Jolanda Grass

  2. Es ist sehr eindrücklich, dank Deiner schönen Fotos und der anschaulichen Beschreibung Stufe für Stufe so nah dran zu sein. Herzliche Gratulation.

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