Rund um den Uri Rotstock 2928m ü. M.

Heute soll es wieder einmal der „Rotä“ sein. Unsere Runde beginnt und endet auf der Musenalp, die man bequem mit einer hölzernen Sänfte erreicht. Die Tour führt über die kürzlich neu ausgesteckte Chlital-Route auf den Gipfel. Entlang des Blümlisalpfirns und über den Sassigrat kehren wir an das Kuchenbuffet auf der Musenalp zurück. Die höchst abwechslungsreiche T4-Tour bietet viel Genuss und Spektakel für konditionell fitte Berggänger.

Für das letzte Stück des Strässchens im Chlital muss seit neuestem ein Fünffranken-Obolus entrichtet werden. Ein kunstvoll gestaltetes Holzhäuschen lädt zum Fahrbewilligungs-Papierkram ein. Aufwendig, dafür stromlos und 2000-Watt-Gesellschaft-konform. Wenig später steigen wir in die Holzkiste und lassen uns von Hüttenwart Klaus die 300Hm zur Musenalp hinaufhieven.

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Die Musenalp – oben links das erste Zwischenziel – Die Endmoräne des Chlifirns.

Die Sonne versteckt sich noch hinter dem Gitschen, es ist frisch. Gar nicht schlecht, denn jetzt müssen schonungslos 800Hm bewältigt werden, um auf die Endmoräne des Chlitalfirns zu gelangen. Die Steigung wird immer giftiger und zwingt schliesslich zum ermüdenden Zehenspitzengang. Ich empfehle meinen Freunden trotzdem immer, hier eher auf- als abzusteigen.

Erhard springbockt zunächst voraus, wird dann aber bald demütiger. Noch ist es weit. Mit den ersten Sonnenstrahlen kommt der Härtetest zu einem Ende. Wir erreichen eine vom Gletscher mit Schutt aufgefüllte Ebene und gönnen uns eine Pause. Gleichzeitig lauschen wir dem Summen der unzähligen Bienen zu, die die vielen gelben Blümchen umgarnen.

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Die Resten des Chlitalfirns und das Bienenparadies

Von hier zweigt übrigens die Alpinroute zur Schlierenlücke ab, die wir heute aber links liegen lassen. Diese lohnenswerte Direttissima (T5/II) über Chesselfirn und Nordgrat zum Uri Rotstock verlangt Steigeisen, zudem fürchte ich mich um diese (warme) Jahreszeit vor Steinschlag. Wir folgen also weiter brav dem markierten Pfad und stehen bald vor den kläglichen Resten des Chlitalfirns. Wo einst Eis war, erstrecken sich heute steile Schutthalden, deshalb ist vor kurzem eine neue Aufstiegsroute markiert worden (Achtung, noch nicht auf der Landeskarte nachgeführt!). Den üppig weiss-blau-weissen Markierungen folgend steigen wir über Blockgelände nach oben auf die gestufte Ebene des ehemaligen Gletscherplateaus. Die geschliffenen Felsen bieten ein besonderes Wandererlebnis, bei dem hin und wieder die Hände zu Hilfe genommen werden müssen. Zuweilen sieht das kantige Gelände aus wie eine Grossarena.

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Gletscherschliff-Genuss
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Steinarena und Uri Rotstock
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Karg, aber mit Leben. Der Gipfelweg im roten Schutt

Kurz vor dem Gipfelgrat wird es wieder steiler. Wir steigen über eine Seitenmoräne hoch und blicken mitleidig auf das – unter der rostroten Schuttdecke schwitzende – Resteis des oberen Chlitalfirns. Auf dem Grat begrüssen uns das wesentlich gesündere Blüemlisalpfirn und die nahen Engelberger Grössen. In der Ferne streckt die Berner Prominenz ihre Hälse hoch. Ein schöner Moment. Der volle Genuss will noch etwas warten, es fehlen noch zehn anstrengende Minuten zum Gipfel.

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Das fahle Glitzern des Eises unter dem Schutt

Zuoberst sind wir nicht alleine. Der Uri Rotstock bietet jedoch genug Platz für alle. Die sich fremden Menschen rücken zusammen, Gespräche entstehen, man unterstützt sich gegenseitig bei den Gipfelfotos. Besonders beliebt ist heute das Motiv „Gipfelkreuz und Urnersee“. Wir kommen ins Gespräch mit Seraina, die uns in zügigem Tempo auf den Gipfel gefolgt ist. Die lernende Hebamme entschliesst sich spontan, uns auf der geplanten Umrundung zu begleiten. Auch das eine Bereicherung des Tages.

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Gipfelblick zum Urnersee, 2500m weiter unten. In der Bildmitte der Schädel des Gitschens
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Gipfelblick nach Südwesten mit Sicht bis ins Berner Oberland

Nach über einer Stunde Gipfelchillen nehmen wir den langen Abstieg unter die Füsse. Wir entscheiden uns für die schnellere, etwas schwierigere Route ins Grosstal. Sie führt über einen steilen Aufschwung hinunter zur Moräne des Blümlisalpfirns, stellenweise ketten- bzw. seilgesichert. Der komplett apere Gletscher beindruckt uns mit seinen „Jahrringen“, wie Erhard meint, und den vielen feinen Spalten. Die Höhe der Moräne zeigt an, wie gewaltig dieser Eisfluss einmal gewesen sein muss. Die ersten bayerischen Enziane (die violetten) deuten gleichzeitig an, wie die Flora sich hier künftig wieder ausbreiten wird.

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Abstieg mit Aussicht. Unten sichtbar der schwierigere (rechts) und der einfachere Abstieg ins Grosstal, links geht’s ins Chlital
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Die „Abkürzung“ verlangt etwas Handarbeit.
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Der Wanderweg folgt der mächtigen Moräne
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Wann wachsen hier wieder Blüemli?

Bei der Gitschenhörelihütte verlassen wir die Eisarena und steigen auf die Alpen des Grosstals ab. Das volle Grün dominiert die Szenerie wieder, wir traversieren langsam an Höhe verlierend zur Biwaldalp. Über uns drohen die Felszacken der wilden Nordseite des Uri Rotstocks und des Schlierens. Kurz vor der Biwaldalp verlassen wir den markierten Weg, um höhesparend über einen Schafspfad zum Sassigrat zu queren. Dabei passieren wir eine aufgrund von Murgängen etwas ausgesetzte Stelle, die etwas Mut und trockene Böden voraussetzt. Bei Nässe nimmt man lieber den Umweg über die bewirtete Biwaldalp in Kauf.

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Auslaufen zur Biwaldalp
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Die kurze, heikle Stelle bei der Traversierung zum Sassigrat

Auf dem Sassigrat verabschieden wir uns vom Grosstal und tauchen zur Musenalp hinunter. Es ist jetzt richtig heiss geworden, und wir spüren die Knie. Wir können kaum warten, uns bei Trudy und Klaus an den Tisch zu setzen. Ich glaube die frischgebackenen Kuchen schon riechen zu können… Die hohen Erwartungen werden wie immer erfüllt.

Die schöne Tour findet schliesslich einen perfekten Abschluss, als wir wenig später bei Bauen in den kühlen Urnersee springen.

Tourdatum: 29. August 2017

Kartenausschnitt Uri Rotstock

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

1 Kommentar

  1. Danke Edwin für diese tolle Beschreibung und die schönen Fotos. Ja, die Wirtsleute auf der Musenalp haben wohl gewechselt.
    Der Uri Rotstock steht bei mir auch nochmals auf der Liste, da ich beim letzten Mal die Weitsicht vom Gipfel wegen des Nebels nicht geniessen konnte.

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