Über drei Pässe ins Avers 2687m ü. M.

Heute ist Pässetag. Zwei gibt es geschenkt, drei müssen erklommen werden. Die abwechslungsreiche, lange nächste Etappe der OW-Transversale führt vom Julierpass nach Juf, dem höchsten ganzjährig bewohnten Dorf Europas. In Erinnerung bleiben die vielen Blumen, die Seen und Seelein, die prächtigen Bergeller Alpen und die Weite des Oberhalbstein. Zu einer überraschenden Entdeckung wird das Avers.

Monica holt mich kurz nach Sieben beim Hotel Hauser in St. Moritz ab. Der Goldschatz fährt mich zum Julierpass, wodurch ich schon um 7.30 starten kann (mit dem Bus erst um 9.00). Knapp unterhalb des Passes, beim Ospizio La Veduta (hier könnte man schlafen) zweigt der Wanderweg zur Fuorcla Grevasalvas ab. Der Pfad steigt wenig steil zu einer Kuppe hoch, von wo aus ich einen schönen Einblick ins Grevasalvas bekomme, auf den friedsamen See und hin zur Fuorcla. Vor dem kurzen Abstieg blicke ich zurück zum Julierpass und zum gestern eroberten Piz Güglia – ein toller Brocken!

Der See liegt noch ganz im Schatten, ich stelle mir vor, wie malerisch es hier später am Tag sein muss. Das Tälchen weist ein paar hübsche Kuppen auf und endet schliesslich mit einem Schuttberg beim Pass, wo der höchsten Punkt des Tages erreicht wird (2687).

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Blick zurück zum Julierpass und Piz Güglia/Julier
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Der spiegelnde Grevasalvas-See, der Pass (Bildmitte) ist schon in der Sonne

Jetzt freue ich mich über die grossen Oberengadiner Seen und die Bergeller Zacken dahinter. Die kenne ich alle noch nicht, verliebe  mich aber umgehend. Die Bernina-Gruppe verblasst daneben fast. Der Pfad führt nun zunächst über Blöcke, dann über reichlich beblumte Wiesen rund 400Hm hinunter, bis ein Wegweiser zum Lägh dal Lunghin (Lunghin-See) wieder ein Umschalten auf „Steigen“ verlangt. Das geht ziemlich gemütlich, es bleibt alle Zeit für den Genuss der letzten Engadiner Wanderstunde. Ich blicke mal ins Fextal, mal nach Maloja, aber immer wieder bleiben meine Augen am Pizzo Badile, Piz Cenghalo und Cima dal Cantun hängen.

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Ohne Worte
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Das Gelände zwischen Grevasalvas-Pass und Lunghin-See, der Pfad führt rechts an der kleinen Kuppe links im Bild vorbei
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Maloja und der Blick ins Bergell (gut sichbar die Albigna-Staumauer rechts oben)

Am Lunghin-See ist es mit der Einsamkeit vorbei. Die Wanderung von Bivio nach Maloja ist ein Klassiker, mindestens ein Dutzend Wanderer sitzen schon am Ufer des tiefblauen Wassers und beobachten die Kletterer an den Wänden des Piz Grevasalvas. Auch ich lasse mir hier mein „Hauser“-Sandwich schmecken und schicke einen saftigen Braeburn-Apfel hintennach. Dann biege ich auf die Wanderautobahn über den Pass Lunghin zum Septimerpass ein.

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Lunghin-See
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Der Pass Lunghin ist die bedeutendste Wasserscheide Europas
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Blick vom Pass Lunghin hinunter zum Septimerpass. Rechts oben die Forcellina, die ins Avers führt

Kurz vor dem Pass Lunghin (2641) halte ich kurz inne, um vom Engadin Abschied zu nehmen. Dabei plaudere ich mit einem aufgeweckten Pärchen, zuerst Schwyzertüütsch, bald Niederländisch. Thomas hat in Antwerpen gearbeitet und Jeannine ist Wallonin. In diese Richtung fliesst das Wasser jetzt. Der Abstieg zum Septimer öffnet den Blick ins Oberhalbstein. Weit und breit, aber ehrlich gesagt auch kahl und etwas langweilig. Da wird es ab dem Septimerpass schon wieder spannender, im letzten Aufstieg des Tages zur Forcellina. Noch einmal richtet sich meine Aufmerksamkeit auf den Dachstuhl des Bergells. Bei den Septimerseelein muss ich einfach eine längere Pause einlegen, so verführerisch ist die Sicht über das mit Wollgras bewachsene Ufer zu diesen spektakulären Zackengipfeln.

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Die Septimer Seelein und der Blick ins Bergell
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Kurz vor der Forcellina ein Blick zurück zum Pass Lunghin (rechts) und zum Piz Güglia (links). Unten die schönen Seelein

Noch einmal schwitzen, ein drittes Mal über die 2600-Höhenkurve steigen, um einen kleinen Blockgletscher drehen, dann stehe ich auf dem Übergang ins Avers (Forcellina, 2671). Endlich setze ich erstmals einen Fuss in dieses Walsertal, beziehungsweise in dieses Geflecht von Talschaften in einem der abgelegensten Ecken der Schweiz. Geradewegs überwältigt bin ich im ersten Augenblick nicht. Immerhin sehe ich Juf schon weit unter mir. Die Route traversiert zunächst entlang eines Steilhangs, inklusive einer kurzen Gegensteigung, die ich nicht erwartet hatte. Meine Beine reklamieren leise. Doch je weiter ich hinunter ins Tal sehe, desto faszinierter bin ich. Das Avers ist fast kitschig grün. Die Hänge sind nicht allzu steil und darum können die Kühe bis über 2500m grasen. Ich beginne zu verstehen, warum die Walser diese Landschaft im 13. Jahrhundert als Lebensraum erkannt haben.

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Die Jufalp und der Blick ins Avers

Ich steige über die Wiesen ab und erreiche wenig später das einsame Juf, das gerade noch von 5 Bewohnern ganzjährig bewohnt wird. Das Schorle im Edelweiss löscht den ersten Durst, auch die Kirschtorte schmeckt wunderbar. Sie ersetzt den angepriesenen Wurst-Käsesalat, der heute nicht erhältlich ist. Janu, noch 2 Kilometer zum Hotel Bargalga, wo meine Erwartungen dann in jeder Hinsicht übertroffen werden. Doch davon morgen mehr, sonst wird dieser Beitrag zu lange.

Tourdatum: 27. Juli 2018

Kartenausschnitt Julier-Juf (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhen- und Zeitangaben

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