Der Kraxelweg zur Dossenhütte 2663 m ü. M.

Das Rosenlaui-Hotel ist eines dieser Highlights im Berner Oberland. Was für viele ein Ziel ist, ist für uns erst ein Ausgangspunkt. Nicht, dass ich das Belle Epoque Bijou etwa verachten würde, im Gegenteil. Aber seine Erbauer wollten ihren weitgereisten Gästen Heilbäder und ein Naturmonument zugänglich machen. Für Letzteres sind wir hergekommen: den Rosenlauigletscher. Um ihm nahe zu kommen, begibt man sich auf einen abenteuerlichen Kraxelweg zur Dossenhütte.


Wir ziehen um halb Neun los und folgen zunächst dem gepflegten Wanderweg, der die Turnschuhgänger zur Rosenlauischlucht führt. Im dichten Wald gewinnt man rasch Höhe. Dumpf tosen die wilden Wasser in der engen Schlucht. Wir passieren die Picknick-Plätze am oberen Ausgang, der Weg wird schmaler und steiler, das Gelände etwas offener. Die Berggängerfrequenz reduziert sich hier um mindestens 80%, nach der Abzweigung zur bewirteten Engelhornhütte (ab jetzt blau beschildert) dann sicher nochmals um die Hälfte. Wir verlassen jetzt definitiv den Wald und bekommen die Gletscherzunge zu Gesicht. Ich erschrecke zunächst, wie weit sie sich seit meiner Kindheit zurückgezogen hat. Aber das ist ja schliesslich auch schon lange her… dafür sieht man die abgeschliffenen Felsen heute umso besser.

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Der erste Gruss des Gletschers, etwas oberhalb der Schlucht fotografiert
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Moränenlandschaft mit viel, viel Wasser

Der Pfad zieht jetzt durch das immer steinigere Tal zu einer mächtigen Moräne, der wir bis zum Einstieg in die Felsen folgen. Weit oben auf dem Grat thront die Dossen-Hütte. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich ein Hochkommen auf zwei Beinen für unmöglich gehalten. Aber wie bestellt tut sich ein Couloir auf. Entlang einem herabstürzenden Bach führt die Route über Leitern und mit einigen Ketten gesichert zur nächsten Geländekammer.

Das Wassercouloir, links im Bild die Stahlseile, die den Aufstieg sehr erleichtern
Eine Augenweide, nicht wahr? Darüber der letzte Teil der Couloirpassage (Stahlseil sichtbar)

Diese präsentiert sich als blumenreiche Wiese, an ihrem oberen Rand liegt das Rosenlaui-Biwak, eine kleine Schutzhütte. Hier sind wir dem ewigen Eis schon ziemlich nahe, vor uns protzen die Eistürme um die Wette. Das friedliche Intermezzo dauert aber nur wenige Minuten. Zum Grat hin ist jetzt nur noch blockiger Fels zu sehen. Die Wanderstöcke verschwinden in den Rucksack, und das Abenteuer Kletterweg findet seine nächste Steigerung. Die Route ist nun noch zum Teil ein Pfad, die Wegsuche wird jedoch durch die vielen blauweissblauen Zeichen erleichtert.

Das schöne Gefühl, den griffigen Stein des Bergs mit den Händen zu fühlen, paart sich mit dem stetigen Blick auf den Gletscher, der mit jedem Höhenmeter eindrücklicher wird. Ich muss immer wieder innehalten, um dieses Naturwunder richtig fassen zu können. Die etwas beängstigenden Tiefblicke links und rechts von mir blende ich derweilen aus. Der Weg erfordert etwas Mut, ist aber nirgends gefährlich, wenigstens solange es trocken ist. Von mir aus könnte die Kraxelei ewig dauern. Nachahmer sollten dieses Teilstück (ca. 45 Minuten) aber nicht unterschätzen. Wir werden später auf dem Abstieg einigen Zauderern zur Umkehr raten.

Impressionen im Aufstieg
Auf dem luftigen Grat, im Hintergrund das Gstellihorn

Nach 30 Minuten aufregender Kraxelei erreichen wir den Grat und freuen uns über den Blick ins Urbachtal, zum Titlis und in Richtung des Sustenmassivs. Richtig eindrücklich ist auch das Gstellihorn gleich neben uns  – aber nichts schlägt den Rosenlaui-Gletscher. Die letzten Meter laufen sich leicht, und kurz vor Elf stehen wir auf der Terrasse der Dossenhütte. Wir setzen uns genussvoll auf die Bank in der Sonne und schauen den Bergsteigern zu, die vom Dossensattel hinuntersteigen. Ich studiere die Karte und diskutiere mit der Hüttenwartin die Varianten der Traverse zum Wetterhorn hin zur Glecksteinhütte. Aber das Projekt muss noch warten, bis ich mich wieder einmal zu einer dieser schlaflosen Hüttennächte überwinden kann. Der Service eines kalten Getränks und einer frischgebackenen Rösti über Mittag ist jedoch unschlagbar. Die fröhliche Hüttenwartin kann sich über zufriedene Gäste freuen.

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Nepal-Feeling im Berner Oberland

Wir steigen über dieselbe Route wieder ab und freuen uns schon auf den Aprikosenkuchen auf der Terrasse des Rosenlaui-Hotels. Wir bleiben aber noch oft stehen und bewundern den eindrücklichen Gletscher und die vom ihm mitgeformte Landschaft. Der Himalaya kann noch etwas auf uns warten, solange die Schweiz solche Erlebnisse bietet! Ach ja – in Erinnerung bleibt auch noch Walters abkühlendes Vollbad im eiskalten Gletscherbach – da konnte ich nicht mithalten.

Tourdatum: 6. August 2013, aktualisiert und mit neuen Fotos ergänzt: 13. August 2016 (mit Noelle und Cuno)

Kartenausschnitt Dossenhütte (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt

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Hier Aprikosenkuchen bestellen (er war 2016 noch gleich gut)!

 

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