Die Wächte am Col du Fornet

„Heute durchquere ich das Skigebiet von Portes Soleil“ schrieb ich im Info-Email an meine Wanderfreunde. Das zog nicht – und so gehe ich alleine. Auch gut. Doch diese Zwischenetappe der Transversale überrascht in vielem positiv, und so beschreibe ich sie gerne.

Ein junger Taxifahrer bringt mich für ein bescheidenes Entgelt ans Ende des Val de Morgins zum Fuss der „Fontaine blanche“. Herrlich, wie das kalte Wasser aus dem Berg heraus sprudelt. Ich steige den steilen Hang zur Quelle hoch und komme gleich gehörig ins Schwitzen. Schon speziell, dass es auf 1500m schon um halb Neun so heiss wird! Bei der Quelle stecke ich meinen verschwitzten Kopf wie ein kleiner Junge ins gurgelnde Nass und lache vor mich hin.

Die schöne Fontaine – rechts davon geht’s hoch

300Hm höher, in der nächsten Geländekammer, wartet der Lac de Chésery auf mich. Am Ufer des blauen Kleinods steht eine moderne Plexiglastafel mit aufschlussreichen Erklärungen zur Geologie. Ich verstehe nur die Hälfte und habe bald mehr Auge für die blühenden Alpenrosen – ein Foto geht gleich per Whatsapp an Bettina, die heute schon wieder hitzetriefend im Büro sitzt.

Idylle am Lac de Chésery
Einfach nur schön

Die Natur sorgt auch beim nächsten Seelein, dem Lac Vert gleich neben der Réfuge de Chésery, für Spektakel. Ich wohne mit grossem Respekt einer Massenpaarung der Kröten bei. Im Huckepack paddeln sie durch das noch eisversetzte Wasser, hinter ihnen lange Schlieren von frischbefruchtetem Laich. Ein holländisches Paar nimmt ein kopulierendes Paket vorsichtig aus dem Wasser, damit ich ein Foto machen kann. Faszinierend!

Sie lassen sich beim Spass nicht stören

Wenig später erreiche ich auf dem Port d’Hiver die ersten Spuren und Zäsuren des gigantischen Skigebiets, die mich etwa 90 Minuten begleiten werden. Über eine radikal in den Berg gehauene Fahrstrasse (im Winter eine Piste) erreiche ich den Point des Mosettes, der als Sessellifthub dient. Alles still – kein Mensch. Ich geniesse die schöne Rundsicht und folge dann im Auf und Ab der Krete, und bald der Landesgrenze, nach Süden.

Wandern durch das Skigebiet…

Zunächst wird die wenig ergiebige La Patenaille beim Col de Vorlaz erklommen, dann surfe ich der Gratkante entlang hinunter zum Col de Bassachaux. Im Westen erscheint das oft verschriene Avoriaz, das aber meines Erachtens aufgrund seiner kompakten, verdichteten Bauweise in Holz ein Umdenken verdient. Sind die ausgearteten Streusiedlungen auf der Schweizer Seite (Champéry, Les Crosets) wirklich die bessere Alternative?

Avoriaz

Tief in Gedanken über Sinn und Unsinn des Massentourismus kämpfe ich mich durch den weichen Schnee die Nordseite des Col du Fornet hinauf. Zuoberst angekommen kommt meine Tour beinahe unverhofft zu einem Ende. Die Wächte an der Gratkante ist dermassen mächtig, dass an ein Überklettern nicht zu denken ist. Da helfen auch die Steigeisen nicht. Doch am östlichen Rand der endlosen Schneemauer bietet sich die Gelegenheit, auf das Gipfelchen „Les Fornets“ zu kraxeln, und damit die Wächte zu umgehen. Glück gehabt. Und dieser etwas ausgesetzte Panoramaplatz, auch gleich der höchste Punkt des Tages (2297), wird gleich zum Picknickstelle erkoren.

Die Wächte ist einfach zu hoch…
…aber ich finde die kleine Lücke gleich neben dem Abgrund

Der Abstieg auf der Südseite ist zwar steil (kurz T4), aber gut gestuft und sommerlich beblumt, was für ein Kontrast! Skilifte gibt es hier auch keine mehr. Dafür einen bezaubernden „Geradeausblick“ auf den Mont Blanc. Der Pfad ist schmal aber gut, nur zwei kleine Schneefelder im Steilhang erfordern den Kurzeinsatz meiner gezackten Gehhilfen. Wenig später steige ich zum gutbesuchten Col de Cou ab und bin wieder unter Menschen.

Mont Blanc
Im Abstieg zum Col du Cou, dahinter die Dents blanches

Das letzte Teilstück des Tages zur Alp Barme führt über die kecke Arête de Berroi. Beblumt, bewaldet, mit herrlichem Blick in die umliegende Täler. Vor mir baut sich der Haut Cime auf, die höchste Spitze der Dents du Midi. Mein morgiges Ziel. Vorfreude kommt auf.

Surfen über den Berroi-Grat mit stetigem Blick auf das morgige Gipfelziel

Zufrieden vor mich hin singend („Un di all azzurro spazio“/Andrea Chenier, zum Glück hört niemand zu), erreiche ich schliesslich den Miniweiler Barme, wo zwei einfache, hübsche Herbergen auf ihre Gäste warten. Ich habe mich für die Cantine de Barmaz entschieden, die Cantine des Dent Blanches muss auch ok sein. Mein Wirt ist ein toller Typ, seine Tarte aux Myrtilles ist Hammer. Mann, geht es mir gut!

Tourdatum: 26. Juni 2019

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

öV: Kein öV. Bus bis Morgins, dann Taxi (10 min). Von Champéry ebenfalls ein Taxi nach Barme nehmen (15 min) oder mit Privatauto.

Abendstimmung vor dem Haute Cime. Lässt er mich wohl rauf?

5 Kommentare

  1. Danke für deine immer tollen Berichte und die ausnehmend schönen Fotos…sind gerade in Gstaad….die Via Alpina am Vollenden…see you

  2. Guten Tag
    Mit Interesse lese ich jeweils die Berichte über die Bergtouren. Heute aber ein Kommentar zu den Fröschen im Lac Vert. Auf ihrem Foto zu sehen sind nicht Frösche, sondern Erdkröten. Sie produzieren denn auch Laichschnüre, während die Frösche den Laich in Klumpen ablegen.

  3. Pingback: Edwin wandert

Schreibe einen Kommentar