Der perfekte Tag für das Wistätthorn 2362 m ü. M.

Manchmal gibt es „perfekte Tage“. Heute ist so einer für eine anspruchsvolle Schneeschuhtour. Es hat seit fast zwei Wochen nicht mehr geschneit, der Schnee hat sich wunderbar gesetzt, in der Nacht ist es eiskalt und am Tag erwirkt die Sonne schon fast frühlingshafte Temperaturen. Es fällt nicht schwer, Thomas zu überzeugen, die Pisten von Gstaad heute links liegen zu lassen und mich auf das Wistätthorn zu begleiten.


Wir bringen die Kids zum Skilift und kurz nach neun Uhr marschieren wir im Turbachtal los. Wir werden begrüsst durch die ersten Strahlen der Sonne, die gerade über den Grat des Wistätthorns hinunterschaut. Es ist noch fast 10 Grad unter Null, das Timing also perfekt. Die Spur steigt steil hoch, schon nach wenigen Minuten sind wir gut aufgewärmt.

Die Rüwelpassebenen, vorne das Rüwelhorn, der Vorgipfel des Wistätthorns
Die Rüwlispassebene und das Rüwlishorn, der Vorgipfel des Wistätthorns

Nach einer guten halben Stunde ist der bewaldete Hang überwunden und wir erreichen die Hochebene des Rüwlispasses, der ins Simmental hinüberführt. Die Spur ist hart gefroren, perfekte Verhältnisse für Schneeschuhwanderer, wir kommen rasch voran. Die winterliche Einsamkeit ist überwältigend, die typischen Berner Oberländer Ställe schmücken die Landschaft und ergeben schöne Fotosujets. Mein iPhone ist allerdlings bald überfordert, die Sonnenstrahlung und das glitzernde Weiss sind so intensiv, dass sich die Kamera immer mal wieder weigert, ein Bild zu erstellen.

Jeder Stall ein Museumsstück: Hinter Landeberg
Jeder Stall ein Museumsstück: Hinter Landeberg

Nach der langen, flachen Querung erreichen wir bei Hinter Landeberg den Ostgrat, der uns ins Gipfelgelände hochführen wird. Zeit für eine kurze Pause. Mars und Balisto geben wieder Energie, auch das Gesicht erträgt eine Zusatzlage Sonnenschutz. Weiter geht’s, klik, klak, klik, klak. Jetzt tut sich die Weitsicht auf. Hinter uns die hübschen Gipfelchen des Simmentals, allen voran der Spillgertengruppe, die von hier aus besonders zerfurcht aussieht. Richtung Süden erheben sich die Mächtigen der Berner Alpenkette – Wildstrubel, Gross Lohner, bald Balmhorn und Winterhorn, später Eiger, Mönch und Jungfrau.

Der Blick nach Westen
Der Blick nach Westen bis hin zu Eiger, Mönch und Jungfrau
Das Ziel vor Augen
Das Ziel vor Augen
Ohne Worte
Ohne Worte

Wir folgen der steiler werdenden Spur, immer mit dem Ziel vor Augen. Kurz vor Zwölf erreichen wir den Gipfelgrat, dort, von wo vor drei Stunden die Sonne auf uns hinunterlachte. Nun bin ich echt sprachlos – die Kombination des schmalen Grats mit seinen Wächten und der Blick zu den Saanenländer Grössen wie Wildhorn, Oldenhorn und Giferspitz unter dem stahlblauen Himmel treiben mir die Tränen in die Augen.

Der wunderschöne Gipfelgrat
Der wunderschöne Gipfelgrat
Auf dem Gipfel
Auf dem Gipfel

Wir bleiben fast eine halbe Stunde auf dem Gipfel, es ist praktisch windstill. Die Sonne hat ein paar Steine vom Schnee befreit, sodass wir trocken sitzen können. Allmählich treffen weitere Gipfelstürmer ein, alle auf Skis. Angesichts des harten Schnees beneide ich sie nicht um die bevorstehende Abfahrt. Wir ziehen weiter, über den Grat zum Rüwlishorn, ein weiterer Höhepunkt der Tour. Es wird zwar zeitweise etwas ausgesetzt, aber die Dinger an den Füssen und die Stöcke in den Händen geben guten Halt. Fasziniert betrachten wir die vielen kleinen und grossen Wächten mit ihren skurrilen Formen.

Auf dem Grat zum Rüwelhorn
Auf dem Gratkamm zwischen Wistätt- und Rüwlishorn

Am anderen Ende des Gratkamms erreichen wir das Rüwlishorn. Der Abstieg beginnt, wir folgen dem Gratverlauf. Hier sind die Schneeschuhe echt vorteilhafter als Skis. Der Grat ist an vielen Stellen vom Wind freigeblasen. Es ist ziemlich steil, Pulverschnee, Bruchharst und vereiste Grasflächen lösen sich ab. Ein bisschen Vorsicht ist schon angesagt, denn zum Simmental hin möchte man nicht umfallen, da gehts streckenweise ziemlich senkrecht runter.

Der Abstieg nach Zwitsere
Der Abstieg nach Zwitseregg. Links das Turbachtal, dahinter die Fribourger Dolomiten

Im Auslauf des Grats wird es wieder flächer, breiter und freundlicher. Offenbar ist hier Endstation für die meisten Tourenfahrer, worauf die Vielzahl hier beginnender Abfahrtsspuren hinweist. Wir surfen auch ganz schön schnell den Berg runter, sanft abgefedert durch den leichten Pulverschnee. Thomas meint, der ganze Bewegungsapparat sei so entlastet, dass ein echtes Wohlgefühl entstehe. Ich kann ihm nur zustimmen. Hin und wieder lande ich mit der Nase im Pulverschnee, aber das löst nur gegenseitiges Gelächter aus.

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imageUm 14 Uhr ist das Abenteuer zu Ende. Wir streifen die Schneeschuhe ab und fahren hochzufrieden nach Lauenen zurück. Der perfekte Tag wird auf der Sonnenterrasse mit Suppe und Bier fortgesetzt.

Tourdatum: 19. Februar 2015

Kartenausschnitt Wistätthorn (pdf)

5 Kommentare

  1. …… Da habe ich aber etwas verpasst…… schon nur beim Lesen wird es mir ganz anders….. Die Stille, das Licht, die sagenhafte wunderbare Luft, das Pic-Nic von Edwin’s Rucksack….

  2. ……. Muskelkater verschwindet langsam. Es hat sich aber mehr als gelohnt in den Fussstapfen von Edwin, welche ein bisschen grösser sind als meine, aufzusteigen 🙂 Freue mich schon auf das nächste Mal.

  3. Wunderschöner Ausblick! Ein paar Freundinnen und ich wollen im Sommer auch wandern gehen. Winter hat leider nicht gepasst und war uns, um ehrlich zu sein auch ein bisschen zu kalt. Obwohl ich Schneemänner liebe, wandern im Schnee ist (noch) nicht so meins =D. ich hoffe wir können auch so einen unglaublichen Ausblick genießen. Für uns geht es zum Defereggental st Jakob. LG Lisa =)

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