Das Spitzhore und der Alprausch 2807 m ü. M.

Berge, die man vom Balkon seiner Ferienwohnung sieht, müssen einmal bestiegen werden. So auch das Spitzhore in Lauenen. Die Einheimischen tun das schon lange. Durch die so erhaltene Weitsicht öffneten sie sich für Neues und Fremdes. Nicht von ungefähr werden pauschalbesteuerte Ausländer hier so freundlich begrüsst, umgekehrt wurde unlängst im lokalen Anzeiger eine Reise des Jodelchörlis nach Paraguay beschrieben. Doch die hier beschriebene Route kennen nur Insider. Einer von ihnen gab mir den Tipp. 


Mit der ersten Fahrt der Sanetsch-Werksbahn (das alleine ist schon ein Erlebnis) gelangen wir über die steilen Wände von Gsteig zum Sanetsch-Stausee. Die nette Herberge am See ist „Welschland pur“ (wir befinden uns hier im Wallis), aber für eine Croûte ist es jetzt wirklich noch zu früh. Wir folgen den Wegweisern nach Gsteig und verlassen den Weg gleich nach der Überschreitung eines Bachbetts. Ein gutes Auge entdeckt die Spur durch das Gras, die erst weiter oben zu einem steilen Schafpfad wird. Markiert ist hier (noch ) nichts, offenbar soll das Spitzhorn den Wissenden vorbehalten werden. Über die sehr steilen Grashänge erreichen wir nach einer halben Stunde eine grasige Moräne, hinter der sich das kleine Dürrseeli versteckt. Jetzt sehen wir die grimmige Ostflanke des Spitzhorns, die nicht gerade einladend wirkt. Jan Lukas (13) schaut mich sorgenvoll an und denkt: „Wo will denn der mit uns hin?“.

Wie so oft sieht aus der Ferne alles viel schrecklicher aus als aus der Nähe. Wir folgen jetzt weglos den spärlichen blauweissblauen Markierungen durch eine flachere, steinige Geländekammer und erreichen bald einen Schuttgrat, der einen schönen Tiefblick nach Gsteig gewährt. Wegspuren führen von hier durch eine steiles Schuttfeld zum Felsenrand und an den Fuss einer Verschneidung (gut auffindbar dank einer von weitem sichtbaren Markierung), der einen einfachen Durchstieg durch die Felsbänder erlaubt.

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Auf dem Schuttgrat…
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… zum Einstieg in die Ostflanke (rote Linie)

Meine Vorfreude auf die Kraxelpassage (Kletterstellen I-II) wird nicht von allen vorbehaltlos geteilt. Aber darauf bin ich vorbereitet, und mit wenigen Handgriffen ist Jan Lukas am 30m-Seil befestigt. Lea und Werner zeigen auch Respekt, klettern mir aber mit der notwendigen Vorsicht (viele lose Steine) problemlos nach. Drei Bohrhaken und drei Seillängen weiter erreichen wir wieder Gehgelände. Gut markiert führen Pfadspuren auf den Südgrat des Spitzhorns.

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80 Meter Kraxeln….(Achtung vor losen Steinen!)
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Auf dem Südgrat, im Hintergrund Geltenhorn und Arpelistock

Die letzten Meter zum Gipfel erfolgen dann mit diesem typischen Hochgefühl des Schwebens. Ich würde jodeln, wenn ich es denn könnte. Wenige Minuten stehen wir auf dem grosszügigen Gipfelplateau mit dem schön geschnitzten Gipfelkreuz und den zwei Bänklein und grüssen Lauenen 1600m unter uns. Das Spitzhorn bietet eine umfassende Sicht auf das ganze Saanenland. Die sogenannte „Hand Gottes“ mit den fünf Fingern Saanenmöser, Turbachtal, Lauener Tal, Saanetal und Chalberhöni ist schön erkennbar. Nach Süden dominieren das Wildhorn mit seinen Nebengipfeln und der Geltengletscher, aus Südwesten grüssen trotz schlechter werdenden Wetters einige Westalpen-Giganten wie Grand Combin und Mont Blanc, im Osten grüssen die Berner Viertausender.

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Der Blick zurück vom Gipfel zum Sanetschsee und dem Aufstiegstal (wer sieht das winzige Dürseeli?)

Der Abstieg erfolgt weglos, aber wenig schwierig über den Ostgrat. Zuerst über Felsen und Platten (eine heikle Schlüsselstelle, wenn es nass ist), dann bald steil über üppige Alpblumenwiesen bis hinunter ins Geltental. Man verliert gerne etwas Zeit, weil es immer eine noch bessere Stelle für ein neues Foto mit Wildhorn und Geltenschuss gibt. Mit ziemlich müden Knien erreichen wir auf dem obere Feisseberg wieder Viehgelände und einen Pfad, und noch etwas weiter unten den vielbegangenen Wanderweg vom Lauenensee zur Geltenhütte. Aber auf den letzten 50 Metern fehlt der Pfad. Nur ein grosser Steinmann markiert den Beginn des Bergwegs zum Spitzhorn. Auch auf dieser Seite soll die Spitzhornroute wohl nur etwas für Eingeweihte bleiben.

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Der schuttige Beginn des langen Abstiegs (unten der Lauenensee)
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Die abwärtsgerichteten Platten, besser trocken als nass zu passieren
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Die Wildhornarena…
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… mit ihrem Ablauf, dem majestätischen Geltenschuss

Wenig später erreichen wir den Lauenensee, wo Evi mit einem Picknick auf uns wartet, das seinesgleichen zuerst suchen muss. Ein toller Abschluss einer grossartigen Tour!

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Tourdatum: 25. Juli 2013, aktualisiert und mit neuen Bildern ergänzt: 15. August 2016

Kartenausschnitt Spitzhorn (pdf)

Interaktiver Kartenausschnitt

Hinweis: Aufstieg T5, Abstieg T4. Umgekehrt empfehle ich – wenn überhaupt – ein Abseilen (Bohrhaken vorhanden).

Nachtrag: Und ja, als ich die Tour 2013 im Alleingang zum erstenmal machte, hielt ich kurz von dem Lauenensee für zwei Berggängerinnen ein klemmendes Weidetörchen auf. Sie musterten mich kurz, grüssten und lächelten. Als ich später die Teerstrasse vom Lauenensee nach Lauenen hinunterlief, hielt ein Auto an. Die Girls luden mich zur Mitfahrt ein. Ich nahm dankbar an und meinte, das sei nicht selbstverständlich. „Doch“, sagte die eine, „sie tragen ja ein Alprausch T-Shirt“. Sie kenne die Marke und die Leute dahinter und finde das cool….Seither trage ich nur noch Alprausch T-Shirts beim Wandern :-). Danke Andy, Nicole, Robin und Timmeeh & Crew!

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4 Kommentare

  1. Lieber Edwin.Diese Geschichte des -Spitzhore- und dem +Alprausch ist eine sehr schöne Story und freut uns natürlich im Besonderen….auf das Du noch viele Gipfel erklimmen wirst und alle +Alprausche der Schweiz geniessen kannst!
    Herzlich, Andy Tanner, Nicole, Timmeeh & Robin

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