Gletscherrausch auf der Göscheneralp

Ja, sie leiden. Sogar sehr. Aber sie sind noch da. Zum Glück. Die Rundwanderung von der Staumauer des Göscheneralpsees hoch zur Bergseehütte, quer hinüber (alpin) zur Chelenenalphütte und „unterdurch“ wieder zurück wird von den Gletschern und ihren Wassern dominiert. Eine anspruchsvolle Tour, aber eine Superlative des Genusses.

Wir beginnen unseren Aufstieg gemütlich steigend im „Granitgarten“. Garten deshalb, weil Enzo Enea die riesigen Blöcke nicht schöner arrangieren könnte als die Natur dies auf der Nordflanke des Stausees getan hat. Nach dieser ersten Talstufe durch die Brätschenflue erreichen wir „Auf dem Berg“. Das Gelände ist hier ziemlich flach, und da das Wasser durch den Granitboden nicht ablaufen kann hat sich eine hochmoorähnliche Geländekammer gebildet. In einem der kleinen Tümpel spiegelt sich der Dammagletscher morgens. Auf Instagram würde dies wohl einen Run auslösen… darum lassen wir es lieber hier:

Kann eine Berglandschaft schöner sein?

Nach diesem ersten Genuss für die Sinne folgt etwas Fleissarbeit. Die Bergseehütte liegt am Rand der nächsten Talstufe, rund 500Hm höher. Ein steil angelegter Pfad mäandert sich hoch, und als ob das nicht schon genug wäre, entscheiden wir uns für die Direttissima-Variante. Sie führt nochmals steiler nach oben und führt zum kurzen Hütten-Klettersteig. Etwas ausser Atem gekommen gönnen wir uns eine erste Pause auf der Terrasse der Bergseehütte, wo diverse Klettergrüppchen ihre Seile und Karabiner sortieren.

Wer sieht die Bergseehütte in den Blöcken?

Ein Blick auf den Wegweiser lässt mich erschrecken. 4 Stunden zur Chelenalphütte? Das habe ich so nicht in der Planung. Der Hüttenwart erklärt mir, dass die blaumarkierte Route auf weiten Teilen weglos sei und deshalb viel Zeit brauche. Man müsse „Spass an Blöcken und Platten haben“, und gleichermassen geschickt, orientierungsstark und trittsicher sein. Also gut, das sind wir, und darum geht es dann auch etwas schneller (wir brauchen trotzdem 2.5 Std.).

Die Suche nach der jeweils besten Route durch die Blöcke macht Spass. Aufziehende Nebelschwaben machen das Ganze sogar noch etwas abenteuerlicher. Aber es kostet Kraft. Ein Challenge wird aber erst der Gletscherbach kurz vor dem Ende der langen Traverse. Er ist so prallvoll, und die darüberliegende Alubrücke so durchgebogen, dass wir kurz den Atem anhalten müssen.

Nun richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf den Chelengletscher und seine Trabanten an den Nordhängen des Winterbergs. Sie wirken majestätisch inmitten von rotglänzenden Felsen! Aber auch das Brunnenfirn auf dem rotmarmorierten Felsen hoch über uns kann mithalten. Angereichert mit dem stetigen Rauschen des vielen Wassers von allen Seiten findet ein Sinnesspektakel ihren Höhepunkt. Grossartig!

Der Chelengletscher und seine Trabanten
Kunstwerke der Natur

Trotzdem sind wir froh, als wir nach einem Steilabstieg die Chelenalphütte erreichen. Denn hier soll der Pfad wieder einfacher (rotweiss) werden. Was jedoch relativ ist… denn just in diesem Moment knattert ein Rega-Heli heran, der per Winde einen Wanderer mit gebrochenem Fuss aus dem Hüttenweg hieven muss. Auch das eine eindrückliche Aktion. Der ersehnte Kaffee muss allerdings warten, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

Friederike im Kraxelmodus

Wir steigen danach in den Talboden der Chelenalp ab, wo zu unserem Erstaunen eine stattliche Menge junge Rinder im wilden Gelände weidet. Auch dieses Teilstück der Tour ist an Schönheit kaum zu überbieten, auch wenn sich die Flora schon weitgehend in den Winterschlaf verabschiedet hat. Immer wieder drehen wir uns um, um diese Wildheit des Tals festhalten zu können. Währenddessen wird der Bach bis zur Einmündung in den See schon fast zum Fluss.

Ein Tal mit Findlingen so gross wie Häuser
Schmelzwasser in der Summe…

Am See wartet leider kein Boot (wäre ein Tourismustipp!) sondern ein Gegenanstieg von 150Hm, der uns wieder zu dieser Idylle „Auf dem Berg“ zurückbringt. Ich fotografiere dasselbe Sujet wie am morgen, wie wirkt das doch anders zu dieser Tageszeit! Zum Schluss folgt der Abstieg durch den Granitpark, und schon sind wir wieder beim Auto. „Schon“ weil es so schön war, aber 7.5 Stunden mit den Pausen haben wir trotzdem für die Runde gebraucht…

Auch so ist der Dammagletscher schön…
Abstieg durch den Granitgarten

Tourdatum: 21. August 2022

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und (zu kurzen) Zeitangaben

2 Kommentare

  1. Tolle Tour, kann noch schön und spannend ergänzt werden: Den Bus früher verlassen und hoch zur Salbithütte, dann weiter in der Höhe via Biwak, Hängebrücke und Klettersteig zur Voralhütte zum Übernachten. Nächsten Tag via Bergseehütte zur Chellenalphütte wie oben beschrieben zum Übernachten. Am nächsten Morgen weiter auf der Tour das Tal hinunter aber dann rechts abbiegen zur Dammahütte via Klettersteig. Nach dem Mittagessen wieder hinunter zum Göscherneralpsee. Alle höheren Abschnitte blau-weiss-blau, T4 oft über Blocksteinabschnitte.

Schreibe einen Kommentar