Im Garten der Churfirsten

Es ist schon fast April, morgens um Fünf trällert mich das fröhliche Gezirpe der Singvögel aus dem Schlaf. Es erinnert mich freudig daran, dass der Frühling da ist. Trotzdem zieht es mich heute nochmals mit den Schneeschuhen in die Höhe. Sevi meinte nämlich, mir etwas zeigen zu müssen. Ich folge seinem Ruf zur Alp Sellamatt im Toggenburg – und werde begeistert. Auf dem Weg zum Joch zwischen Brisi und Frümsel – mit seinem atemberaubendem Tiefblick auf den Walensee – erleben wir die Churfirsten von ihren besten Seiten.

,Nur eine Handvoll Autos belegt den Parkplatz an der Talstation der Sellamattbahn in Alt. St. Johann. Mountainbiker und Wanderer bereiten ihre Touren vor, die wenigen Skifahrer mit ihren Anzügen und Helmen wirken wie Ausserirdische. Wir lassen uns bequem hochgondeln, bald wird aus grün weiss, und an der Bergstation erwarten uns perfekt präparierte Skipisten. Der Himmel ist knallblau, die Luft noch kalt, und der Schnee knirscht unter unseren Füssen. Wir lassen die Schneeschuhe im Rucksack und folgen dem schön gespurten Winterwanderweg.

Schon bald zeigen sich uns Schibenstoll, Zuestoll, Brisi und Frümsel wie auf dem Präsentierteller. Die formschönen Kegel recken ihre Hälse selbstbewusst aus der lieblichen Alp Sellamatt in den Himmel, erstarrt und glänzend im durchgefrorenen Schneekleid. Was für ein Anblick! Zum Anbeissen.

Zum Anbeissen diese Dinger….

Der Weg steigt nur sanft an, also bleibt viel Zeit für Gespräche und die mantramässige gegenseitige Beteuerung, dass es wohl heute nichts Schöneres gibt als gerade hier zu sein. Diese Churfirsten sind so einzigartig – jeder für sich alleine und als Gesamtkomposition. Höchst vergnügt erreichen wir nach einer knappen Stunde die Breitenalp, wo der Winterwanderweg zur Sellamatt zurückdreht und wir die Schneeschuhe montieren.

Auch der Säntis ist stetiger Begleiter

In einer ziemlich direkten Linie zielen wir nun auf das Frümseltal zu. Die harte Schneeunterlage ist mit einer dünnen Schicht Neuschnee überzogen. Das Spuren braucht nicht viel Kraft, so laufen wir zeitweise sogar nebeneinander. Wir kommentieren mal die mächtigen Wächten am Selun, mal die glänzende Flanke des Brisi, die ziemlich windgeprägt aussieht. Das gilt auch für die windbearbeitete Schneedecke um uns herum, die stellenweise an eine fein ziselierte Miniatur-Dünenlandschaft erinnert.

Der Aufstieg ins Frümseltal ist nur mässig steil
Der windbearbeitete Boden kurz vor dem Joch

Im oberen Frümseltal wird es etwas steiler, aber nie wirklich anspruchsvoll. Die fast senkrechten Seitenwände von Brisi und Frümsel sind eindrücklich und aufgrund der Breite des Tals weit genug weg um nicht bedrohlich zu sein (Steinschlag, Wächtenabbrüche). Bald erkennen wir den „Punkt 2044“ an einer runden rotweissen Markierung. Der „Woweffekt“ ist damit nur noch Sekunden entfernt… So stehen wir gut zwei Stunden nach Abmarsch von der Alp Sellamatt auf dem Joch, wo grosses Kino auf uns wartet. Einerseits der Walensee gut 1500 Meter unter uns, aber auch der ganze Alpenkamm, der sich an diesem Kaiserwettertag besonders imposant zeigt. Die halbe Schweiz liegt uns hier zu Füssen. Letztere befreie ich dann rasch von den Schneeschuhen. Eine kleine Fläche mit trockenem Gras lädt zum Sonnenbad, ich strecke mich genüsslich für ein längere Pause aus. Es ist warm, die Jacke bleibt im Rucksacke, das Windstopper-Gilet genügt.

Der Brisi und die steilen Südwände der Churfirsten. Im Hintergrund Hinterrugg und Chäserugg
Was für ein Tiefblick!

Für den Abstieg wählen wir am unteren Ende des Frümseltals die „Diretttissima“ durch den offenen Wald des „Brisizimmers“, wo der Schnee noch fast 2 Meter hoch liegt, wie ein tief vergrabenes Wanderschild erkennen lässt. Etwas weiter unten stossen wir wieder auf den Winterwanderweg und gwaggeln dann gemütlich zurück zur Alp Sellamatt, wo die fast leere Terrasse zur bewirteten Fortsetzung des intensiven Sonnenbades einlädt.

Seitenansicht des Zuestoll im Abstieg
Es bleibt hier noch lange Winter
Fabelhaft, das Brisizimmer

Tourdatum: 29. März 2019

Kartenausschnitt mit Höhenprofil

1 Kommentar

  1. super! und so bildhaft gluschtig geschrieben! ja, wenn der tag nur 48 std und die woche 10 tage hätte….

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