Ein Trail für Simone und Chaya

Vom Gotthard- zum Oberalppass. Eine optimierte Variante des Vierquellenweges bildet die nächste Etappe meiner West-Ost-Transversale. Und sie entpuppt sich als der ideale Trailvorschlag für eine Freundin, die alpine Wege zu schönen Bergseen liebt, begleitet von ihrem Hund. Diese Tour als verspätetes Geschenk zum 50sten Geburtstag dürfte ein Volltreffer werden. Hier ist sie als Solo-Vorschau.

Eigentlich sind meine Erwartungen nicht so hoch an diesem Tag. Nach den schönen Touren der letzten drei Tage will ich heute genügsam sein. Doch da kann man sich gewaltig täuschen – aber lest selbst.

Das erste Postauto von meinem „Basislager“ in Andermatt zum Gotthard fährt erst um 9.10 und erreicht den Pass um 9.30 Uhr. Im Gegensatz zu gestern habe ich damit keinen Stress, denn am anvisierten Ziel auf dem Oberalppass passiert der letzte Zug um 19.51. Der letzte Bus sogar erst um 21.00. Also „plenty of time“.

Am Gotthard drehen die Windräder

So watschle ich am Hospiz gemütlich los und folge der Teerstrasse zum Staudamm des Sellasees. Nur leicht steigend, gut zum Einlaufen. Hin und wieder werfe ich einen Blick zurück zum Pass und seinen Windrädern. Beim Damm habe ich die Wahl – entweder das Militärsträsschen entlang des Sees folgen oder über dessen rechten Flanke. Ich mache – und empfehle – die Flanke, der nun folgende Aufstieg ist kurzweilig und nicht zu steil. Mal ein Blick ins Bedretto, einer zum Pizzo Centrale, einer zum neckischen Gloggetürmli auf dessen Grat.

Der Sella Stausee

Dort, wo die Wege wieder zusammentreffen, steht eine alte Militärunterkunft. Die ist aber gar nicht etwa muffelig sondern aufgefrischt – die Fensterläden sind fröhlich bemalt, überall hängen und stehen hübsche Nippsachen. Was ist das? Eine aufgestellte Tessinerin, die es sich davor auf einer bepolsterten Palette gemütlich gemacht hat, gibt mir die Antwort. „Sie gehört mir“, sagt sie in fliessendem Deutsch, „hast Du Durst“? „Machst Du mir einen Kaffee“, frage ich? Zwei Minuten später steht eine dampfende Tasse vor mir – mit Guetsli und Schöggeli. Cool! Michela erklärt, dass sie hier aus purer Freude eine Besenbeiz betreibt, und zeigt mir das Innere der Hütte, wo Inschriften bis auf den Aktivdienst im Ersten Weltkrieg zurückgehen. Solch unerwarteten Erlebnisse berühren mich! Ich hinterlasse ihr einen grosszügigen Obulus für den Kaffee und das Glücksgefühl.

Bevor ich aufbreche, motiviert sie mich, einen kleinen Umweg über den Grat zu gehen. Zum „Sella nel Cuore“ sagt sie. Gesagt, getan. Wenig später stehe ich vor einem grossen Herz aus Holz und fotografiere dadurch das Sellatal und die dahinterliegenden Alpen. Ich schmunzle.

Das Rheinwaldhorn in der Mitte des Herzen

Der weitere Aufstieg zum Giübin ist in dieser Stimmung ein Katzensprung. Bald erreiche ist den gutmütigen Gipfel, wo bereits diverse Wanderer aus der Vermigelhütte eingetroffen sind. Offenbar laufen alle brav in die vorgegebene Richtung des Vierquellenweg-Prospekts: mir entgegen. Das hat den Vorteil, dass ich wohl bald wieder alleine sein werde. Doch widme ich mich zunächst dem geselligen Austausch mit dem Wandervolk und geniesse die fantastische Aussicht und das herrliche Wetter.

Gipfelblick zurück zum Sellasee, Finsteraarhorn und Co.

Bevor ich den Abstieg in das Tal der Unteralpreuss unter die Füsse nehme, studiere ich es genau. Denn irgendwie wurmt es mich, dass ich auf der westlichen Talseite bis zur Vermigelhütte absteigen soll, um dann gleich wieder steil zum Maighelspass hochzusteigen. Das Gelände auf der östlichen Talseite über die „wilden Matten“ sieht doch eigentlich ganz harmlos aus? Da könnte ich sicher viele Meter Ab- und Wiederaufstieg sparen! Auch der Blick auf die Karte zeigt keine nennenswerte Hindernisse. Soll ich es wagen? „Probieren kannst Du es ja“, sage ich mir, während ich über den kunstvoll angelegten Treppenweg vom Sellapass durch die Blöcke hinuntersteige.

Unsere Route führt über die Wilde Matten zum Maighelspass (Bildmitte) – sehr lohnenswert!

Rund 250Hm unter dem Pass (auf rund 2450m) zweigt denn auch eine Spur vom Wanderweg ab. Sie führt mit blauen Punkten markiert zum Unteralppass. Ich ahne, dass dies eine gute Möglichkeit sein könnte, durch die Blöcke auf die andere Talseite zu kommen. Und tatsächlich, nach etwa 200m weist ein blauer Pfeil im 90 Grad-Winkel vom Pfad weg. 15 Meter weiter unten im Gelände sehe ich einen blauen Punkt, und dann noch einen. Euphorie! Das ist ja markiert! Und tatsächlich: weglos, aber mit verwaschenen blauen Punkten und Strichen als Orientierungshilfe führt eine Route durch diese „Wilde Matten“. Zunächst etwas ruppig, aber bald auf Weiden, wo ein Grüpplein Rinder rastet. Dann hinunter auf ein fast flache Matte – völlig problemlos und angenehm zu laufen bis hin zum Wildemattensee.

They take it easy…
Wildemattensee

Auf der Bank vor der gleichnamigen Hütte pausiere ich kurz, blicke auf den reizvollen Bergsee und weiss: Das ist der gesuchte Adventure-Trail für Simone! Und es wird noch besser kommen: Denn nun ist wieder ein richtiger Pfad vorhanden und von der „Porggeren“ lässt es sich dann problemlos durch das Gras auf den Wanderweg zum Maighelspass hochsteigen. Wunderbar! Eine spannende, leichte Alpinwanderpassage und dabei 350 Höhenmeter gespart!

Namenloses Kleinod am Maighelspass

So erreiche ich mit wenig Kraftaufwand bald die Seelein am Pass, die mindestens so schön sind wie jener vorhin. In der Passpfütze spiegelt sich der Maighelsgletscher fotogen. Das motiviert gleich nochmals zu einer Trink- und Schoggipause und mit anschliessender Fotosession. Toll!

Auf dem Pass

„Das wars dann wohl gewesen mit dem Genuss für heute“, denke ich mehr als zufrieden, und stelle mich auf einen zweistündigen Gwaggel zum Oberalppass ein. Doch weit gefehlt! Das Maighelstal entpuppt sich als zauberhaftes Hochtal mit einem idyllischen Bach und wunderbarem Gestein in allen Farb- und Form-Nuancen. Die Zeit fliegt vorbei.

Idyllisches Maighelstal
Steinwunder

Bald bald stehe ich, nach einer letzten kurzen Gegensteigung, am Fuss der Maighelshütte, wo erneut mehrere schöne Seelein mit ihren Reizen geizen. Anstatt zum zVieri auf der Hüttenterrasse (sorry Hüttenteam!) geselle ich mich zu den schottischen Hochlandrindern am Wasser und geniesse im Gras sitzend die spätnachmittaglichen Sonnenstrahlen und meinen letzten Proviant.

Zotteliger Weggefährte
In der hinteren Bildmitte liegt der Oberalppass…

Der Rest ist schnell erzählt. Ich folge dem Fahrsträsschen und stosse auf den Weg, der vom Tomasee hinunterkommt. Es folgt ein Höhenkurven-Surfen entlang der Talflanke zum Oberalppass. Das Geknatter der Motorräder auf der Passstrasse setzt der Bergruhe bald ein Ende, aber dadurch lässt sich dieser Traumtag nicht eintrüben.

Simone – da gehen wir mit Chaya hin!

Tourdatum: 24. August 2022

Nachtrag: Am 13. September 2022 konnte ich die Tour bei warmem Wetter und bester Sicht mit Simone und Chaya wiederholen. Es war für mich ein besonderes Erlebnis mit einem Hund. So entdeckte die aufmerksame Wolfshündin jedes Murmeltier schon viel früher als wir…

 

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

Hier geht es zur nächsten Etappe

 

4 Kommentare

  1. Super Edwin, da werde ich mit Freuden mein Geschenk einlösen… !
    Jetzt muss es nur noch mit dem Wetter klappen. Wir sind bereit 😁

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