Das Tigernest 3120m ü. M.


    Einige Blogabonnenten haben meine Beiträge vermisst und sich schon Sorgen über mein Verbleiben gemacht. Dabei war ich nur ein bisschen schreibfaul. Doch jetzt komme ich gerade mit frischer Energie aus Bhutan zurück und lasse Euch gerne an meinen grossartigen Erinnerungen teilnehmen. Dies im Form eines kurzen Berichts über den Aufstieg zu einem der berühmtesten Kraftorten des Buddhismus – dem Taktsang-Kloster – oder auf deutsch das Tigernest.

    Um es vorwegzunehmen. Wandern war nicht das primäre Ziel der zweiwöchigen Reise in das kleine Königreich im Himalaya. Aber es gehörte auch dazu. Man kann hier wunderbare Treks machen, aber auf 6’000m Höhe ist Schluss. Der König hat 1994 verfügt, dass die Menschen oberhalb dieser Grenze nichts verloren haben. So gibt es hier einige spektakuläre 7’500er Peaks zu bewundern, die noch nie bestiegen worden sind. Das mag erstaunen auf den ersten Blick – aber ja, ist es denn tatsächlich nötig, dass wir überall hin müssen, wo eh niemand leben kann? Die vielen Bergtote haben den König dazu bewogen, einen Schlussstrich zu ziehen. Lasst uns das respektieren.

    In diesem Tal liegt das Tigernest verborgen

    So ist noch sehr viel mehr in diesem Land anders als irgendwo auf der Welt. Das Hochland Bhutan wurde nie kolonialisiert, pflegt aber seit dem 8. Jahrhundert dank Guru Rinpoche den Bhuddismus. Die Talschaften konnten sich im 17. Jahrhundert einigen und wehrten seither gemeinsam die Angriffe aller Eindringenden ab (die Eidgenossenschaft lässt grüssen!). Anfangs des 20. Jahrhunderts beschlossen sie, ein Königreich zu gründen. Der 4. König wandelte es 2008 zur konstitutionellen Monarchie. Der 5. heiratete eine bürgerliche Frau und wird über alles geliebt – auch für den National Happiness Index, der ihm wichtiger ist als das Bruttosozialprodukt. Landwirtschaft und nachhaltiger Tourismus prägen die Wirtschaft. Die immer freundlichen Menschen sprechen fliessend englisch, das vor 40 Jahren das indische Hindi als zweite Landessprache neben dem lokalen Dzongkha ersetzte.

    Ein Land voller freundlicher Menschen

    Kurzum: Es ist ein wunderbares Land mit selbstbewussten Menschen, einer tief verwurzelten Religion – und sehr ursprünglich, weil doch isoliert und wenig besucht. Dies unter anderem deshalb, weil die Regierung seit dem Ende der Pandemie von jedem Touristen eine deutlich erhöhte Kurtaxe von 200 US-Dollar verlangt – nicht etwa pro Besuch, sondern pro Tag und Person. Das führt zu einer hohen Exklusivität, tollen Hotels und der Absenz von Massentourismus. Ein Segen für Privilegierte. Jeder der Nepal kennt, wird mir dies bestätigen können.

    … und prächtigen Bauten (Kloster in Gangtey)

    Genug der Einführung: Hier geht es ja ums Wandern. Und da ist der Besuch des Tigernests eines der Highlight Bhutans und ein Muss für jeden fitten Besucher. Allerdings sollte man sich die Tour für den Schluss der Reise aufsparen. Nicht weil das Tigernest nahe bei Paro liegt (wo der einzige internationale Flughafen des Landes ist), sondern weil man sich zuerst an die Höhe gewöhnen muss. Die zwar wenig schwierige Wanderung beginnt nämlich auf etwa 2400m ü. Meer, das Tigernest liegt auf 3120m, dazwischen liegt auch noch ein kurzer Ab- und Wiederaufstieg. 900 Höhenmeter netto bei dünner Luft sind das Eintrittsticket zu diesem kleinen Paradies.

    mit intensiv gelebtem Buddhismus … (Frühlingsfestival in einem 200 Seelen-Dorf)

    Wir beginnen beim grossen Parkplatz, wo eine kleine Schar Esel jene Pilger aufnimmt, die nicht so gut zu Fuss sind. Immerhin gut die Hälfte des Aufstiegs lässt sich damit leicht bewältigen. Wobei „leicht“ relativ ist – das Geschüttel und Geturne auf dem schmalen Pfad muss man auch aushalten können. Ich laufe lieber! Schon bald sieht man hoch über sich den Prunkbau in der Felswand kleben. Wie hat man das bloss erschaffen können?

    Auf diesem Felsen klebt das Tigernest

    Das gemächliche Einlaufen kommt bald zu einem Ende. Wir passieren eine mit Wasser angetriebene Gebetsmühle, dessen hellen Glocke rhytmisch bimmelt. Dort schalten wir auf „stramm steigen“ um. Der steile, aber überall gute Pfad führt durch offenen Wald hinauf zur „Mittelstation“ – dieser ist mit dem Kehrplatz für die Esel, einer weiteren Gebetsmühle und einem Teehaus versehen. Kurz anhalten und durchschnaufen. Die Luft ist dünn geworden. Simone ist erstaunlich munter drauf. Unser Guide Sonam und Fahrer Ginzang unterhalten sich blendend mit ihr, das verkürzt die Mühe sichtlich.

    Der Pfad wird indessen von immer mehr Gebetsfahnen gesäumt, die Farben stehen für die fünf Elemente. Richtig gelesen, fünf, den hier gilt Eisen als das fünfte Element neben Wasser, Feuer, Erde und Luft.

    … immer schön im Uhrzeigersinn drehen …

    Bald erreichen wir den höchsten Punkt der Tour, danach quert der Pfad den Hang bis zu einer scharfen Kante mit einem Aussichtspunkt: vor uns liegt das Tigernest! Aber noch sind wir nicht da. Der Weg führt sehr steil über Treppen hinunter zu einem Einschnitt, von wo aus die verlorenen hundert Höhenmeter wieder mühsam zurück erkämpft werden müssen. Dann sind wir da – knapp zwei Stunden für die 900Hm. Well done!

    14 Tage grossartige Begleiter: Ginzang und Sonam
    Die Anlage umfasst vier Haupttempel und mehrere Wohngebäude

    Wir geben unsere Rucksäcke und vor allem die Kameras und iPhones ab, denn hier herrscht – wie in jedem Tempel oder Kloster, wo man die Schuhe ausziehen muss – ein striktes Fotografierverbot. Das tut schon etwas weh, denn man würde diese farbenfrohen Räume mit ihren betenden Mönchen so gerne für die Ewigkeit festhalten! Umso mehr bemühen wir uns, alles was wir sehen einzuprägen.

    So setzen wir uns zwischen die Mönche in einem Raum, wo gerade ein langes Ritual zelebriert wird. Sie akzeptieren uns in ihrer Mitte, nicken uns freundlich zu. Dann ertönen der sonore Klang der Hörner, dumpfe Trommelschläge, der helle Gesang der Flöten und das ununterbrochene Murmeln der Mönche. Tief berührend, wunderbar.

    In Bhutan gibt es 3x mehr Mönche als Soldaten

    Etwas benommen vor lauter Ehrfurcht treten wir später den Rückmarsch an. Unterwegs hängen wir unsere im Kloster gesegneten Gebetsfahnen zwischen zwei Bäumen auf, setzen uns auf eine Bank und lassen das Erlebte langsam setzen. Zurück im Tal sprudle ich vor Glücksgefühle angesichts einer der speziellsten Wanderungen meines bisherigen Lebens.

    Tourdatum: 17. März 2023

    Leider keine Karte verfügbar.

    Die traditionelle, farbenfrohe Kira beherrscht (noch) das Bild
    Der bedeutendste Dzong des Landes in Punukha. Die Klosterburgen dienen jeweils rund je zur Hälfte als Kloster und Verwaltungsgebäude.

    6 Kommentare

    1. Was für ein wunderbarer Lesegenuss! Ich danke 1000 Mal für diese eindrückliche Schilderung… toll & herzliche Gratulation zur Reise nach Bhutan, Edwin! Glück in alle Richtungen und beste Grüsse zurück, Priska (Gander)

    2. Faszinierendes Land!
      Leider kämpft Bhutan schon stark mit den Folgen des Klimawandels.
      Video DW: 21.06.2022

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