Shortcut nach Gspon

Beim zweiten Anlauf klappt es. Fast. Die heutige Transversale-Etappe führt vom Simplon-Pass nach Gspon. Anstatt der „Wanderroute Nr. 6“ zu folgen, optimiere ich. Ich kürze ab über schmale Weglein und durch alpines Gelände. Nur der geplante Abstecher auf das Mattwaldhorn fällt Nebel und Regen zum Opfer. Dafür erfreue ich Simone mit dem rechtzeitigen Eintreffen in der Academia del Gusto.

Wer mit Zug und Bus von Zürich anreist, ist frühestens um 9.55 Uhr auf dem Simplon. Etwas spät, aber im Spätsommer vertretbar. Dachte ich. Es ist schönes Wetter, im Gegensatz zu vor 13 Tagen, als wir im sympathischen Hotel Simplonblick übernachteten und umplanen mussten.

Beim Adler auf dem Simplon. Links das Fletschhorn, ganz rechts hinten das anvisierte Mattwaldhorn

Ich besuche kurz den Aktivdienst-Adler mit dem strengen Blick und folge den Täfelchen zum Spitzhorn. Beim Weiler Hopsche halte ich kurz inne. Die kleinen Hüttchen sind alle renoviert, dahinter glänzt der Hopschu-See. Ein friedlicher Anblick. Der Wanderweg steigt gemächlich an, das hilft gleichermassen beim Warmlaufen und beim Spähen nach Murmeltieren. Bei einer offenen Suone (ca. Pt. 2165) zweigt meine Route ab. Kaum sichtbare Pfadspuren führen zunächst über den schmalen Rand der Wasserstrasse, bald wird der Pfad aber breiter, gutmütig und ist markiert mit blauen Strichen.

Hopsche und Hopschusee – am Monte Leone drücken schon die Wolken vom Süden

Im leichten Auf – und später Ab – entlang des langen Hangs über der Simplonebene (schöne Sicht!) erreiche ich den Weg zum Bistenenpass (Route 6). Ich quere den Pfad zur Verwunderung einiger Wanderer jedoch nur und steige über die Grasnarben gleich hoch zur nächsten Querverbindung. Der etwas höher liegende, ebenfalls nicht markierte, aber gut sichtbare Pfad, spurt wenig später in die Mägelicke-Route ein (rot-weiss markiert). Auf dem Pass freue ich mich über die gelungene Abkürzung und die gesparten Höhenmeter (die Route 6 verliert nämlich vom Simplonpass zunächst rund 150Hm).

Ein letzter Blick zurück in die Simplon-Hochebene (eine geologisch interessante Gletscherhinterlassenschaft)

Nun blicke ich ins Nanztal, an dessen oberer Ende die Zunge des Gamsagletschers glänzt. Sein Ernährer, das Fletschhorn-Massiv, hat sich leider bereits hinter von Süden rasch aufziehende Wolken versteckt. Ich folge dem schier endlosen Höhenweg, der bis ins hintere Ende des Tals und dann ganz nach vorne zum Gibidumpass führt. Ehrlich gesagt ist das nicht besonders spannend. Nur kurz vor und nach der Überschreitung der Gamsa kommt etwas Begeisterung auf. Der Bach ist ziemlich wild, und die Teiche auf dem Fullmoos sind von Wollgras umrahmt. Später wird der Pfad sogar kurz etwas ausgesetzt (drahtseilgesichert).

Kurz vor dem hinteren Ende des Höhenweges im Nanztal gibt es Abwechslung. Im Bild die wilde Gamsa
Von oben nach unten sieht das Tal etwas eintönig aus, auch wenn im Hintergrund die Berner Alpen grüssen
Der Gamsagletscher – oder was noch von ihm übrig ist

Nun kommt der zweite Teil der „Abkürzung“. Ich verlasse den Höhenweg und steige steil zum Blausee hoch (markiert). Ein Grüppchen Walliser Schwarznasen-Schafe feuert mich mit müden „Määhhs“ an. „Brauche ich nicht, Jungs“, scherze ich, „die Maschine ist warm“. Beim Blausee ein kurzer Fotostopp, dann streife ich weglos (aber mit Steinmännchen und orangen Punkten markiert) durch die zunehmend hochalpine Landschaft in Richtung Mattwaldhorn. Alternativ könnte man von hier über einen markierten Weg auf das Ochsenhorn steigen und später über den breiten Gratrücken nach Visperterminen absteigen.

Seltsame Kollegen…

Mein anvisierter Riesenschutthaufen (Mattwaldhorn und Simelihorn) wird allerdings immer mehr von grauen und bald dunkelgrauen Wolken eingelullt. Im Findletälli angekommen zögere ich. Weitergehen oder nicht? Die Sicht auf die Viertausender um Saas Fee herum müsse traumhaft sein – aber werde ich die sehen?

Der Blausee, dahinter das Ochsenhorn
Auf dem Weg zu den Schutthalden am Simeli- und Mattwaldhorn
Im Saaser Tal gäbe es viel zu sehen… heute nicht. Immerhin den stolzen Balfrin

Ich steige unplanmässig zur Lücke des Lagundo Tschuggo (was für ein Flurname!) hoch, um die Sicht im Saaser Tal beurteilen zu können. Eine Enttäuschung – alles in den Wolken. Janu – ich entscheide mich für ein Denkpause und setze mich hin. Soll ich den Gipfel auslassen? Dann fehlt er im 3000er-Palmares der Transversale! Aber so what, er läuft ja nicht weg, und gerade zum Verlieben sehen diese Geröllhänge auch nicht aus. Dafür wäre ich früher zu Hause! Und kann in Gspon Zvieri essen! Gesagt, getan, das Horn muss warten. Ich esse mein Sandwich und suche danach den direkten Weg hinunter ins Saastal.

Zum Glück helfen auch hier Steinmännchen (gut aufpassen, dass man sie nicht aus den Augen verliert!) und hilfreiche Trittspuren, denn der Schrofenhang ist steil, und es fängt an zu regnen. Gut 500Hm weiter unten treffe ich auf das Hüttchen bei Punkt 2416, von wo aus ein Pfad in Richtung Gspon führt. Ein schönes Teilstück, das bald durch eine offene Wald- und Heidelandschaft führt.

Schönes Auslaufen durch die Heide…

Dann kommt Gspon in Sicht. Malerisch klebt das Dorf auf der saftig-grünen Matte hoch über dem Tal. Ich steure auf den „Alpenblick“ neben der Seilbahn zu. Zu meiner Überraschung werde ich im hellen Thurgauer Dialekt von der fröhlichen Wirtin begrüsst und gleich mit frischgebackenem Apfelkuchen verwöhnt. Wunderbar. Auf den hier ungewohnten Dialekt angesprochen murmelt der einheimische Wirt stolz: „Tja, die Liebe hat sie hierhin geführt“.

Das Bijou auf der Matte: Gspon

An die Liebe denke auch ich, als sich die Seilbahn nach Stalden in Bewegung setzt. Es ist erst kurz nach 15.00 Uhr, und ich weiss, dass ich bei Simone mit dem pünktlichen Eintreffen zum Dinner im Zürcher Edel-Italiener punkten kann!

Infrastruktur-Chaos über, in und um Stalden…

Tourdatum: 23. August 2019

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

4 Kommentare

  1. Hallo Edwin,
    schade das es mit den Gipfeln nicht geklappt hat. Trotzdem schöne Bilder/Bericht. Nach meinem Besuch um Juli mag ich dieses Gebiet. Muss ja auch noch das Mattwaldhorn „nachholen“.
    Grüße und viel Spaß in den Bergen.
    Ole

  2. Pingback: Edwin wandert

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