Über den Piz Umbrail zum Lai da Rims

Eine nachgeholte Etappe meiner Ost-West-Transversale im Münstertal erweist sich als Volltreffer. Nach der Überschreitung des Piz Umbrail lernen wir einen der wohl schönsten Bergseen der Schweiz kennen – den Lai da Rims. Das viele Edelweiss an seinem Ufer setzt ihm die Krone auf.

Ende Juni 2018 erschien uns das Risiko zu gross. Vom Stilfserjoch sahen wir viel Schnee und Wächten am Piz Umbrail und entschieden uns, die Tour durch das Val Mora zum Ofenpass stattdessen in Santa Maria zu beginnen. Aber jetzt ist es soweit – ein Besuch in der Gegend ermöglicht das Schliessen der Lücke auf dem abgelegenen, höchsten Strassenpass (Umbrail, 2501m) der Schweiz.

Morgens um 8 Uhr bringt uns ein Alpentaxi zum Pass — zusammen mit vielen Bikern. Das Münstertal scheint ein Paradies für Downhiller zu sein. Einige der mutigen Sportler visieren mit dem Bike auf den Rücken wie wir den Piz Umbrail an – nach einem Aufstieg von nur 500 Höhenmeter winkt eine wilde Abfahrt über 1600 Höhenmeter. Sie lieber als ich! – aber ich bin beeindruckt.

Wir lassen sie ziehen und studieren zunächst die Infotafeln am Zollhäuschen. Sie erinnern an die Zeit des ersten Weltkrieges, als sich Italiener und Österreicher am Stilfserjoch gegenüber standen (mehr dazu hier). Die Schweizer Armee sperrte am Umbrailpass den Zugang ins Münstertal, um Umgehungsversuche ins Vintschgau zu unterbinden. Es müssen lange und kalte Dienste gewesen sein! Auf dem ersten Teil unseres Aufstiegs besichtigen wir die Ruinen der einfachen Truppenunterkünfte und Stellungen entlang des windigen Grats auf dem Weg zum Piz Umbrail.

Militärhistorische Erkundungen…
Ein Grenzstein und der Piz Umbrail

Unser Gipfel ist ein eindrücklicher grauer Haufen aus Fels und Schutt. Die Erosion hat bizarre Formen geschaffen. I love it. Unser Weg führt rot-weiss markiert durch den Schutthang zum Nordgrat. Alternativ gäbe es eine Diretissima über italienisches Gebiet (grün-weiss-rot), aber damit hätte ich Simone zur Verzweiflung gebracht. Für sie sind die ausgesetzten, aber gut kettengesicherten Stellen kurz vor dem Grat schon Challenge genug.

Schuttwege
Noch mehr Schutt vor dem Gipfelfelsen
Blick zurück zum Umbrailpass, dahinter das Stilfserjoch und der Ortler

Das letzte Teilstück zum Gipfel ist Genuss pur. Die skurrilen Felstürme, der grandiose Ortler in Greifnähe, die rauhe Wildnis um uns herum. Das prächtige Wetter. Und auf dem Gipfel fröhliches Volk. Die Wanderer sind meist Italiener und etwas laut – die Biker junge Schweizer und meist still.

Das Panorama ist sehr speziell – es sind für mich so viele unbekannte Berge, die meisten kahl, viele Gletscher gibt es hier trotz der Höhe nicht. Nach der Walliser Tourenwoche ein Umgewöhnen. Aber dieser weite See ähnlich hoher Berge generiert doch auch ein besonderes Feeling.

Ein Bergsee gegen Westen…
… da geht es hinunter

Der Abstieg zum Lai da Rims beginnt steil und schuttig, flacht aber bald ab. Murmeltiere pfeifen Alarm, wir schmunzeln. Es ist einsam in diesem Tal. Hin und wieder passieren uns diese tollkühnen Biker. Der Weg ist dank ihnen mehr ein Trail als ein Pfad.

Und dann sehen wir ihn erstmals – den vielgelobten See. Er schimmert im schönsten Türkis unter uns, auch wenn die nun rasch aufziehenden Wolken ihn noch etwas minorisieren. Wir bleiben indessen immer wieder stehen, um ein noch schöneres Foto zu machen.

Wie mit einer Glasplatte verschlossen…
Ohne Worte

Als wir den Boden des Tälchens erreichen, wandern wir durch das Gras zum Seeende, um den Ausfluss zu sehen und das schönste Lunchplätzchen zu besetzen. Dabei stossen wir überall auf Edelweiss – einfach schön!

Beim Kauen meiner Blevitas mit Le Parfait-Belag taufe ich den Cuclèr da Valpaschun spontan in „Swiss Borubodur“ um – er erinnert mich stark an den grossartigen Buddhistischen Tempel auf Java, den wir im letzten Sommer besuchten und lieben lernten. Simone schüttelt nur den Kopf über so viel Fantasie.

Das Tüpchen auf dem i
Der Swiss Borobudur

Wir sitzen lange am Wasser und verlassen den wunderbaren Ort schliesslich nur ungern. Noch ist erst die erste Hälfte des langen Abstiegs bewältigt. Aber auch die zweite bietet ein schönes Erlebnis. Der Pfad ins Val Vau führt über eine steile Rampe hinunter und ist stellenweise ausgesetzt, aber er ist grün, beblumt und bebäumt und bietet eine schöne Sicht auf das wohlgeformte Tal und umliegende Berge. Das findet ein Bartgeier-Pärchen auch, das über unsere Köpfe kreist und die Erinnerung an diesen Tag weiter perfektioniert.

Abstieg ins Val Vau
… und im Rückspiegel. Da oben liegt der See….

Schliesslich erreichen wir die Brücke im Val Vau und schliessen damit die Lücke zur nächsten Etappe. Wir wandern nun dem Fahrsträsschen entlang noch eine gute Stunde hinunter nach Santa Maria. Aber wie das aussieht, wisst ihr schon, man sieht es hier.

Tourdatum: 15. August 2020

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

öV: Bus von Santa Maria zum Umbrailpass, im Val Vau fährt manchmal ein Bus bis Tschuccai, Pt 1778, der erspart die letzte Stunde bzw. 300 Hm auf dem Kiesweg

8 Kommentare

  1. Pingback: Edwin wandert
  2. lieber edwin
    was für eine wunderbare tour! Wir erwägen, sie in der umgekehrten richtung zu gehen; unsere knie würden es uns danken:-)
    auch machbar, oder? Einmal mehr danke für deinen blog mit den herrlichen bildern! Er verschafft mir jedesmal eine kleine, lustvolle auszeit!
    Herzlich, ursula

  3. ich empfehle auch, die tour ab santa maria in umgekehrter richtung zu gehen (+1600 hm; ca 4 h) – es fliesst mehr schweiss, aber der see ladet dann erst recht zum bade.

    • Das kommt auf die Schneeverhältnisse an. Die Chance auf Schnee ist gross an den Nordhängen im Oktober..

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