Durch den Urwald zum Pfannenstock

Zuhinterst im Muotatal wächst am Fuss der Silberen, auf einer weiten, durchfurchten Karstlandschaft, einer der urtümlichsten Wälder der Alpen. Ich durchwandere ihn im oberen, lichteren Teil auf dem Weg zum Pfannenstock, der als freistehendes, markantes Panoramaziel aus dieser einzigartigen Bergwelt herausragt.

Seit Jahren hängt in meinem Homeoffice eine Serie von vier Alpszenen mit Schafen des Schwyzer Fotografen Stefan Zürrer. Auf einem ist der elegante Pfannenstock zu sehen. Ich wollte schon lange mal hin, doch hat es mich bisher nur mit den Tourenski oder den Schneeschuhen auf die schneereichen Silberenhänge gezogen. Der Pfannenstock war zu abgelegen. Ein gerne nachgeholtes Versäumnis.

Doch beginnen wir von vorne: Ich parkiere bei der Kapelle auf dem Pragelpass und schlage den Pfad durch das Chalberloch zur Bödmeren ein. Es ist angenehm frisch, der zweitletzte Septembertag ist wolkenlos und es riecht nach Herbst. Glitzernde Silberperlen lassen das Heidekraut glänzen, das sanfte Herbstlicht verzaubert den offenen Wald in ein Farbatelier.

Im Aufstieg vom Pragelpass

Nach einem kurzen, aufwärmenden Anstieg durch diese Taiga verliere ich wieder etwas an Höhe und erreiche die schon winterfest gemachte Alp Wolfbüel. Vor mir prunken die Schwyzer Zinnsoldaten – mein Kosewort für den Chaiserstock und seine Kumpanen. Durch bald ziemlich ruppiger werdendes Gelände führt meine Urwald-Querung nun zur Alp Tor. Auf den Felsfluren wachsen skurrile, verwitterte Bergföhren und Moorbirken. Das trockene Heidekraut kratzt meine Unterschenkel auf. Und die Augen müssen dem Boden folgen, denn immer wieder tun sich überraschend Gesteinsspalten auf. Gleichzeitig geraten die frisch eingeschneiten Gipfel des Schächentals – von den Schärhörnern zu den Windgällen – in mein erweitertes Blickfeld. Herrlich!

Wildnis with a view

Bei der Alp Tor stosse ich auf einen perfekten Alpweg, der durch die Wildnis führend hier hoch gebaut wurde. Ich frage mich, wie das rentiert…viel zu grasen gibt es hier nicht. Am Ende des Strässchen führt ein Pfad etwas ausgesetzt auf einen Grasrücken hoch, der mich ins Rätschtal bringt – und da begrüsst mich der Pfannenstock! Es fehlen noch etwa 800Hm zu seinem Gipfel – das sieht eindrücklich aus.

Das Rätschtal mit Blick zu Schächentaler Windgällen und den Schwyzer Zinnsoldaten

Dieses Tal hat es überhaupt in sich. Der Pfad folgt angenehm steigend der Flanke, hoch über dem Talboden. Ich passiere ein aufregendes Naturphänomen, das ich sicher 10x fotografieren muss. Eine hauchdünne Felsplatte steckt wie ein Beil im Boden – das Ding ist sicher 80m lang!

Der Pfannenstock und das Beil im Boden

Dann nähere ich mich dem Chratzerenfurggeli und schaue etwas besorgt in die Nordflanke des Pfannenstocks. Komme ich wohl durch den Schnee? Etwas „gfürchig“ sieht das schon aus, und ich bin zwar gut ausgerüstet, aber alleine.

Pfannenstock

Doch wie so oft bei Bergtouren entpuppt sich aus der Nähe zwar vieles als steil, aber technisch harmlos. Der Weg ist ja schliesslich durchgängig weiss-rot markiert. Zwei wenig ausgesetzte Kraxelstellen gilt es zu passieren, beide mit Ketten gesichert. Der Pfad führt sodann über ein Schuttband auf den Grasgrat, der zwar steil, aber gutmütiger nicht sein könnte. So erreiche ich mit grosser Freude den Gipfel dieses Solitärs.

Der Weg führt rechts über das zweite Band nach oben
Die Kette erleichtert den Aufstieg auf das Band

Die Rundsicht ist wahrlich spektakulär. Nah sind Glärnisch und Bös Fulen, dahinter reiht sich die kürzlich durchwanderte Vorderrheinkette auf. Der Blick führt weiter über die Urner Grössen zur vergletscherten Kröntengruppe. Und natürlich sieht man über die Silberen und den Druesberg hinaus auf den Zürichsee und bis in den Alpstein. Nicht zu vergessen die endlosen Karrenfelder direkt unter mir. Was für ein genialer Aussichtspunkt!

Pfannenstockgipfel, rechts der Bödmeren Urwald
Glärnisch und Bös Fulen
Die Schächentaler Kette
Hausstock und Bifertenstock, davor Ortstock und Höch Turm
Silberen – dahinter Sihlsee, Zürichsee, Greifensee und Pfäffikersee

Ich bleibe lange sitzen, sehr lange. Das sind diese typischen „ich bekomme nicht genug davon“-Momente, die sich gegen Ende der Wandersaison häufen. Bald wird sich eine dicke Schneedecke über die winzigen Pionierpflänzchen dieses Kraftorts legen und bis zum kommenden Mai/Juni alles erstarren lassen.

Mehr als gemütlich und immer wieder dankbar zurückblickend (die besten Fotos entstanden auf dem Rückweg) steige ich über den gleichen Weg wieder ab. Von der Alp Tor zurück zum Pass wähle ich die etwas höher führende Variante über Spitzibühl zur Obristenhütte. Hier ist es noch etwas baumärmer und spaltiger. Eine Unkonzentriertheit führt (nur) zu einem blutigen Scheinbein, aber das gehört halt einfach dazu.

Zurück in der Taiga der Bödmeren

Die Tour endet mit einem Bier in der Passbeiz und dem Gefühl, diesen Traumfreitag optimal genutzt zu haben.

Tourdatum: 29. September 2023

Interaktiver Kartenausschnitt mit Höhenprofil und Zeitangaben

Kartenausschnitt Pfannenstock

öV: gibt es hier leider nicht. Dafür mehrere „Mitfahrbänklein“ auf dem Pass. Der Pragelpass kann im Sommer nur unter der Woche mit dem Auto befahren werden. Seit dem 2. Oktober ist Wintersperre.

So sah es hier beim letzten Besuch aus…
…. und so….

5 Kommentare

  1. Herzlichen Dank Edwin für den tollen Bericht. Auf dem Pfannenstock war ich mal vor ca. 40 Jahren mit den Tourenskis vom Bisisthal aus. Ich habe diesen als harten Hund in Erinnerung. Mehr Natur pur als in dieser Region gibts wohl kaum! 🙂

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